Design And Performance Lab

 


SYNAESTHESIA AND MULTIMEDIA

 


Das Gagarin System / The Gagarin System

Notizen zum Arbeitsprozess "Synästhesie und Multimedialität", Universität Erfurt, Dezember 2004

Reflections on "Synaesthesia and Multimedia", a workshop at Erfurt University, December 2004

 

Johannes Birringer

 

(Part 1 of this report is in German, Part II in english)

 


1. Station Vorbereitung 27 Sept. 2004


Parameter:

1.1. Idee
Der Workshop "Synästhesie und Multimedialität" soll zweierlei Ziele verfolgen: Zum einen die unterschiedlichen Herangehensweisen der eingeladenen Künstler (Robert Wechsler, [Palindrome]; Ursula Hentschläger und Zelko Wiener [Zeitgenossen]; Johannes Birringer) vorzustellen und zusammenzubringen, zum anderen mit ausgewählten Studierenden (ca. 10-15 Personen) ein kleines ca. 10-minütiges Aufführungsstück zu entwickeln und umzusetzen.

Das "Werk" sollte nicht allzu hohe Anforderungen an die Technik haben, es
geht mehr darum, die künstlerischen Konzepte zusammenzubringen und den
Studierenden die Arbeitsprinzipien der Künstler klar werden zu lassen sowie
sie ein Gefühl für das Arbeiten mit Bewegung, Ton, Bild und Raum entwickeln
zu lassen.

1.2. Thema
Damit in der relativ kurzen Zeit, die für die Entwicklung und Umsetzung
eines kurzen Stückes notwendig ist, auch etwas realisiert werden kann,
sollten die beteiligten Künstler sich vorab auf ein Thema einigen. So könnte
z.B. ein Thema aus der Antike alle beteiligten Künstler ansprechen, z.B. der
Prometheusmythos. Die Studierenden sind auf das Thema vorbereitet und haben sich vorab auch überlegt, welchen Teil sie bearbeiten wollen.

1.3. Methode

Zur Durchführung werden Gruppen gebildet, die so aussehen könnten:
- eine Gruppe Studierender arbeitet mit Palindrome an Choreographie &
Akustik,
- eine Gruppe mit Zelko Wiener an visuellen Projektionen für den Bühnenraum
(unter Rückgriff auf schon vorhandene visuelle Gestaltungselemente aus der
Webkunst der Zeitgenossen);
- eine Gruppe mit Ursula Hentschläger an Textelementen, die gesprochen oder projiziert werden;
- eine Gruppe mit Johannes Birringer (hier ist noch nicht ganz klar, woran -
vielleicht an der Raum- und Kostümgestaltung und der Integration der
einzelnen Elemente).

Die Gruppen arbeiten teilweise unabhängig voneinander, kommen aber am Ende des ersten Umsetzungstages zusammen und stellen den jeweiligen Zwischenstand vor. Dann werden Abstimmungen und Modifikationen besprochen, so dass die einzelnen Teile zusammenpassen. Der zweite Tag dient zur weiteren Verfeinerung der einzelnen Teile und zur deren Abstimmung auf das gesamte Stück.

1.4. Programm
2. Dez.
ca. 10-16:00 Uhr: Vorstellung und Diskussion der einzelnen Künstlerarbeiten
und der dahinterstehenden medialen und synästhetischen Konzepte (öffentlich)

Danach (nicht öffentlich): Besprechung des weiteren Vorgehens (die
Studierenden haben sich zur Vorbereitung auf den Workshop schon mit den
künstlerischen Arbeiten auseinandergesetzt und auch schon überlegt, in
welche Gruppe sie gehen sollen.)

20:oo Aufführung - Palindrome (interaktives Konzert)

3./4.Dez. (nicht öffentlich)
Gruppenarbeit (getrennt) und Kollektivarbeit (Vorstellung der
Zwischenergebnisse der einzelnen Gruppen und Diskussion)

4.Dez. nachmittags: erste Proben

5.Dez.
Vorstellung, Aufführung und Diskussion des ca. 10-minütigen Stückes
(öffentlich)

(Giesecke/Heibach)

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2. Notizen aus dem Arbeitsprozess & theoretische Reflexe,
in kurzen Stationen aufgereiht. 28.Feb 2005


2.1 Station Post-Mortem


Betrachtet man nachträglich die Vorüberlegungen bzw. Workshop-Parameter -- Idee, Thema, Methode, usw -- lässt sich eine Zielstellung erkennen, die in den Vorbereitungen für das Erfurter Projekt "Synästhesie und Multimedialität" angelegt waren und durchaus eine klare Arbeitsstruktur vorgaben. In frühen Briefkontakten zwischen den Gastgebern und mir wurde auch zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen "Workshop zu Theorie und Praxis der multimedialen Kunst" handelt, und dass "die Zusammenführung der verschiedenen Medienkunstrichtungen eine fruchtbare Zusammenarbeit" entstehen lassen könne, "die vielleicht auch über den Workshop hinaus wirken könnte." Christiane Heibach deutete an, dass es ihr in ihren Forschungen um die Frage des Zusammenhangs von Multimedialität und Synästhesie ginge, und dass sie sich durch die Arbeit während des Workshops und Gespräche mit den Künstlern neue Perspektiven erschliessen wollte.

In der email-Korrespondenz mit Christiane Heibach und Michael Giesecke, die ich seit September 2004 von Nottingham aus führte, konnte ich allerdings auch zur Sprache bringen, dass das vorgesehene Konzept für einen solchen Workshop verschiedene Komponenten genauer und ausführlicher beschreiben und in Erwägung ziehen müsste. Mir ging es im voraus massgeblich darum, Bedenken aus der Praxis und aus meiner Erfahrung einzubringen. Ich würde diese Bedenken heute als berechtigte Einwände sehen, auf die vor Beginn des Workshops keine Antworten gefunden wurden. Diese Bedenken bezogen sich vor allem auf (1) die Methode, (2) Themenwahl oder Zusammenführung unterschiedlicher Themeninteressen und vor allem auch ästhetischer Arbeitsweisen der eingeladenen Künstler, (3) die ungeklärte und nicht vorhersehbare/determinierbare Prozesshaftigkeit des Workshops und der sehr kurzen Zeitphase, die für die Konzeption, Materialsammlung, Entwicklung, Komposition und dramaturgische bzw. künstlerische Gestaltung/Erprobung eines der Öffentlichkeit vorzustellenden "Stücks" zur Verfügung stand, (4) Arbeitsraum, Instrumentarium (equipment, multimediale Faktoren), und Aufführungsraum, und (5) die angreifbare bzw. von den Veranstaltern nicht näher definierte Vorstellung eines "Gesamtkunstwerks", das von den Workshopteilnehmern innerhalb eines Zeitraums von 2 Tagen zu schaffen sei.

In meinen zahlreichen Briefkontakten versuchte ich, jeweils auf die von mir als problematisch empfundenen Punkte einzugehen, und vor allem darauf hinzuweisen, dass es bei unterschiedlichen ästhetischen Arbeitsmethoden der eingeladenen Künstler, wie auch der jüngeren Workshopteilnehmer (ich fragte mehrmals nach deren künstlerischen und praktischen Erfahrungem, um mir ein Bild zu machen, ob es sich um einen "Studioworkshop" mit Proben oder um ein Seminar mit Studierenden und Kommunikationswissenschaftlern handelte), zu nicht vorher festzulegenden kollektiven Strukturen und Zusammenführungen der bearbeiteten Materialien kommen würde, und dass man diese Labilität mit einrechnen müsse.Verschiedene Künstler haben verschiedene Ansatzpunkte für den Arbeitsprozess, und die lassen sich nicht unbedingt mischen. Ich kannte die Produktionen/Arbeitweise der Palindrome Company (Robert Wechsler), die mir ästhetisch konträr liegen; während die Arbeiten der Wiener Zeitgenossen (Zelko Wiener, Ursula Hentschläger) mir unbekannt waren, worauf ich mit ihnen Kontakt aufnahm und mir ihre Webseite anschaute. Dies alllein allerdings ersetzt keine physische Vorbereitung oder Vertrauen auf einen Probenprozess.

Auch fiel mir auf, dass in dem von den Veranstaltern vorgeschlagenen Konzept zur Methode eine Einteilung in Arbeits- bzw. Kompetenzbereiche vorgenommen worden war, die einerseits schlüssig schien (Choreographie, Bild, Ton, Raum/Gestaltung). Andererseits war nicht unbedingt einleuchtend, warum eine solche Einteilung vorgenommen wurde (ich bin zum Beispiel kein Spezialist für Kostüme, und Raumgestaltung ist nur ein Teil meiner Arbeit als Medienkünstler/Choreograf) und warum, und in welcher methodischen Vorstellung, eine Unterteilung in verschiedene Gruppenprozesse (parallel? divers und u.U. entgegenlaufend?) sinnvoll wäre.

In der Korrespondenz mit den Veranstaltern wurde dieser Punkt auch erörtert, und ich schlug vor, die Prozessmöglichkeiten und parallele Arbeitstechnik vor Ort in Augenschein zu nehmen, um dann in Erfurt entscheiden zu können, wie die prozessuale Arbeit gestaltet werden kann. Der erste Tag der Begegnungen und der Aussprache würde also wichtig sein für den Gesamtprozess. Später stellte sich aber heraus, dass man ein Abend-Konzert der Palindrome Co. geplant und angkündigt hatte, was dazu führte, das R. Wechsler und Co. den ganzen Donnerstag Aufbau bund technische Proben hatten, und an keinem Gespräch teilnehmen konnte. Meine Ankunft nach langer Reise aus Grossbritannien war auch verzögert, ich traf erst gegen 15:30 ein, gerade rechtzeitig, um W. Purg's Vortrag ("Körper in interaktiven elektronischen Räumen - Konzepte und Konzeptionen zwischen Theorie und Praxis" ) mitzuerleben.

In meiner Erinnerung bleibt vor allem mein hauptsächlicher Einwand: man kann innerhalb von zwei Tagen, mit einem Team, das sich nicht kennt und noch nie vorher zusammen gearbeitet hat, kein "Stück" machen und schon gar kein "Gesamtkunstwerk." Man kann höchstens eine Versuchsanordnung nach einer oder, im günstigsten Fall, mehreren Proben im Entstehungsprozess zur Disposition stellen.

Der Forschungsansatz, d.h. der wissenschaftliche Abeitsprozess und Kooperationsprozess, der von den Veranstaltern im Nachhinein als eine ganz wichtige Komponente des Projekts eingefordert wurde, war in der Parameterskizze nicht entwickelt, und im Programm nicht klar aufgezeigt (Den Teilnehmern wurde lediglich das kurze Thesenpapier "Theoretisches Konzept des Workshops "Synästhesie und Medienkunst" v. Michael Giesecke/Christiane Heibach zugeschickt).

Das führte u.a. auch dazu, dass während der "Produktionsphase" kein Dialog zwischen Künstlern (und den in den Teams mitwirkenden Studierenden) und den Professoren bzw. Wissenschaftlern der Universität Erfurt stattfinden konnte, denn zeitplanmässig und logistisch war kein Raum für einen wissenschaftlichen Austausch während der Produktionsphase eingerichtet. Dieser Raum für einen wissenschaftlichen Dialog hätte auch die Produktionsphasen so verkürzt, dass die Aufführung einer Versuchsanordnung nicht mehr realisierbar gewesen wäre. (Michael Purg, der an der Universität Erfurt promoviert und seine Dissertation am ersten Tag vorstellte, nahm an dem Produktionsprozess teil und kooperierte sowohl mit dem "Medien-Team" (Zeitgenossen/Birringer und Studierende) als auch mit dem "Choreographie-Team" (Wechsler und Studierende).

Andererseits wäre es von Seiten der Künstler sicher wünschenswert gewesen, die Möglichkeiten einer Integration auszuloten und den Forschungsansatz von Michael Gieseckes Supervision, wie er in Wien bei dem Willi Dorner Projekt benutzt wurde, kennenzulernen. (cf. Giesecke zu Back to return: "Das Projekt hat experimentell die Möglichkeiten einer synästhetischen ganzheitlichen Epistemologie erkundet und zugleich versucht, diese mit den Mitteln von Körperbewegung, Raum, Licht, Ton und digital bearbeiteten Videoprojektionen auszudrücken".)

 


2.2. Station Produktionsprozess / Produktionsbedingungen

Weiterhin wäre es im Nachhinein von Interesse, sich einmal die Produktionsbedingungen des Workshops, d.h. die relations of production nochmals vor Augen zu führen, um auch im Hinblick auf künstlerische Methodik und infrastrukturelle Bedingungen eine kritische Analyse des Workshops und der geleisteten Arbeit am Konzept "Synästhesie und Multimedialität" aufbauen zu können. Denn es kann nach Abschluss des Workshops eine Interpretation der multimedialen Arbeitsweise und der Aufführung aus verschiedenen Blickwinkeln angeboten werden, die Perzeptionsweisen und die Erfahrungen der Besucher und der Teilnehmer könnten recherchiert werden [Supervision]; eine Dokumentation des Arbeitsprozesses kann erstellt werden, Analysen der medialen und körperlichen Darstellungsformen und der sensuellen Erfahrungen können in Betracht gezogen werden.

Ebenso könnte auch die Dynamik des Workshopsprozesses, die verschiedenen psychologischen Dimensionen und die strategischen Prozesse und die Bruchstellen bzw. Unterbrechungen untersucht werden. Dabei würde auch ins Gewicht fallen, dass die eingeladenen Künstler als Leitende des Prozesses (und der arbeitsteiligen Teamworkgestaltung) in ihrem Beitrag zum Gesamtergebnis einer Untersuchung und Befragung standhalten sollten, wobei angemerkt werden muss, dass es sich durchaus um einen freien, improvisatorischen Prozess handelte, der - was die relations of production betrifft, self-organizing und dynamisch begriffen werden muss: als ein site-specific/dynamic process, der nicht hierarchisch geordnet war, wie es in einer professionellen Produktion an einem Theater (in den meisten Fällen) gewesen wäre. Dort hätte die Produktion klare Handlungsbereiche geschaffen (z.B.Oper: Dirigent, Orchester, Regisseur, Choreograf, Sound Design/Komponist, Solisten, Bühne, Licht, Kostüme, usw, alles Bereiche, die vertraglich geregelt worden wären).

In unserem Fall gab es keine vorgegebene Hierarchie, sondern es stellte sich ein "natürlicher" (d.h. anderweitig determinierter) Improvisationsprozess ein, der stark von der gegenseitigen Achtung oder selbstkritischen Differenzierung, dem Interesse an der Zusammenarbeit, dem Entdeckungsprozess des "Gagarin-Systems", und der intensiven Beschäftigung mit den Materialien unter dem Druck des Fertigstellens eines Werkes (Versuchsanordnung) abhing. Der Begriff Gagarin-System ist eine (wenngleich ironische) Formulierung, die ich für unser Projekt gewählt habe.

Ein anderer Punkt, der hier nicht umfangreicher erörtet werden soll, ist die Frage des Performance-Environments, des Raumes, der für das "Werk" gestaltet werden sollte.
Es handelte sich hierbei nicht um einen professionellen Raum (Theater/Bühne, Galerie, Museum, Film-Theater, usw) sondern um eine Art Versammlungsraum oder Veranstaltungsraum (der evangelischen Kirchengemeinde), mit einer kleinen Vorderbühne (mit Klavier) und einem grossen offenen bestuhlten Saal ausgestattet, der mit Weihnachtsschmuck behangen war und nur schlecht mit Vorhängen abzudunkeln war.

Die Raumeinrichtung war fixiert, die Bestuhlung flexibel. Der Raum besass keinerlei nennenswerte Lichttechnik (grid, various lighting instruments, computer lighting board), war in seinen Dimension denkbar ungeeignet für jegliche Art einer intensiven Steuerung oder eines diffizilen Licht-Sound-Film- Bewegungsspiel-Designs, und liess eine Medienperformance im künstlerisch professionellen Sinn von vorneherein nicht zu. Ein Paradoxon also. Dies konnte man in einer kurzen Bestandsaufnahme sofort sehen, obwohl die Abendaufführung der Palindrome Company den Schluss zumindest zuliess, dass sich bei Dunkelheit, und entsprechender Fokussierung von mobilen Lichtinstrumenten (auf Booms) und Filmprojektionen, ein gewisser theatraler Raum konstruieren liess; Soundanlage und Computertechnik für interactive Software und Medien-Output waren vorhanden. Ein weiterer kleiner Arbeitsraum stand im Haus zur Verfügung, der dem "Medien-Team" als Editing Room wichtig war. Die theatrale Einrichtung des grossen Aufführungssaals war hingegen bei einer abschliessenden öffentlichen Vorführung am Sonntag Mittag (zu hellster Tageszeit) nicht gewährleistet.

Die Design-Möglichkeiten für ein mediales Kunstwerk, geht man ganz konkret von kuratorischen Überlegungen über die notwendigen Voraussetzungen für die Distribution und Platzierung digitaler Kunst (d.h. multimedialer, vernetzter Kunstformen) aus, waren relativ ungünstig, wenn nicht gar minimal.

 


3. Station Prozessualität und Medien-Performance-Gestaltung

 


Kontext-Stationen:


1. Technological performance (digital practices) and the physical/virtual interface

2. The body in interactive digital / multisensory environments

3. Synaesthesia or: the Gagarin System (Erfurt und urbane Zirkulation)

4. Improvisation and generative systems: "tram" choreography-loop

 

We make the assumption that in digital multimedia performances, the physical and virtual are accentuated. Sound waves and electronic images, for example, are not immaterial but enfold us: our sensory perceptions and the "traveling" of sound, optical images and 3D objects in VR [Virtual Reality] worlds are mutually enfolded in material processes. "Smooth" and "striated" spaces (haptic and a more distanced, optical visuality) created by interactive performance media are the products of specific practices that implicate the participant, either heightening her or his sense of embodiment or constructing the player of interactive tools and games as a disembodied subject in control of an avatar.(1) Hence, current theory needs to be adjusted to allow for this technical interface and accompanying corporeal prominence, presence and contradiction.

Choreography as well as other practices of contemporary relational and postproductive aesthetics (cf. interactive dance, interactive environments, telematics, participatory live art, netbased art, collaborative culture/multiplayer systems and game-based art, relational art that accentuates dialogue, activism, communal participation and site-work/public art) foregrounds the sensory body or the inter-actor or "user" (player), both physical and virtual. The accentuation of the physical and the virtual contradict conventional analytical ways of interpretation dominated by the transference of the linguistic to the non-linguistic, which makes the body a secondary phenomenon; sensation becomes redundant. It needs to be emphasized that phenomenological investigations into the sensing body need to be revived in regard to complex interactive media environments, especially in regard to interactive art which uses "sensory processing", wearable/tactile computing and pervasive computing that involves, for example, direct biofeedback (bioradio and heart or pulse-monitoring devices, microphones worn on the body, electrodes connected to the brain, and various other prostheses, as demonstrated for instance in Stelarc's performances: http://www.stelarc.va.com.au/).

Digital practices in performance in fact stress the emotive, the intuitive, the ludic, and the sensate, since in many contemporary art forms the body is primary and yet transient. Thus, the immediacy and presence of the physical/virtual body, its "evolution" or adaptation in a hyperplastic/interactive environment, including its corporeal reading, is made the focus of interpretation. This acknowledges the complexity of the immediate relationship between audience and performance, between event, site, and participants. What is required is a sensuous theory (of movement, affect, sensation, as Brian Massumi has proposed in Parables for the Virtual) for multisensory media environments.

 

Das Gagarin System / the Gagarin System


Das Gagarin-System definiert sich als ein orbitales Performance System, zum Teil aus menschlichen Akteuren und Rezipienten, zum Teil aus Maschinen, kybernetischen Selbststeuerungen und autodynamischen Prozessualitäten bestehend, innerhalb dessen virtuelle Zustände hergestellt werden. Diese virtuellen Zustände treten aufgrund der Unschärferelation auf und verfliegen wieder. Dabei entfaltet sich das interaktive orbitale System durch ein Zusammenspiel von Bewegung (movement) und bewegten Bild-Ton Sequenzen, welches prozessual die Akzentuierung der leiblichen Sensationierung im bewegten Zuschauer bewirkt. Intermediale Texturen fliessen im Gagarin-System, nach dem Prinzip des Vortex, in eine sich ausbreitende, komplexe multisensuelle Wahrnehmungsproduktion. Als Modell für die Produktion und Echtzeit-generierung von multisensoriellenUntersuchungen ist das Gagarin-System ein kinästhetisches: ein bewegliches Raumgebilde, das sich ständig zu ändern scheint, Der negative Horizont ist der Loop.

 


Der erste Prozess-Tag: Data Collection

 

Am Vormittag trafen sich alle Teilnehmer im Saal zu einem runden Tisch, um sich besser kennenzulernen, wobei die Studierenden gebeten wurden, kurz ihre vorherigen kreativen/künstlerischen Erfahrungen und gegenwärtigen Studienfelder vorzustellen.
Anschliessend teilte sich die Gruppe der 14 Partizipienten auf, um in parallelen Arbeitsschritten an der Materialsammlung und Kompositionsentwicklung mitzuwirken. Freiwillige Teilnehmer des "Medien-Teams" (unter Leitung von Zelko Wiener, Ursula Hentschläger, Johannes Birringer) trafen sich dann zu einer Lage-besprechung im Editing Room, während Robert Wechslers "Choreographie-Team" den Saal für Probenarbeiten vorbereitete.

Das Medien-Team diskutierte Themenfelder, die bei einer Materialsammlung mit Digitalkameras, Mikrophonen und Aufzeichnungsgeräten vor Ort, d.h. aussen, in der Stadt Erfurt, erforscht werden könnten. In dieser Diskussion tauchte der Name des Kosmonauten Gagarin zum ersten Mal auf (hinsichtlich des am Gagarin-Ring gelegenen Gagarin-Denkmals), und auf Stadtplänen wurde ausserdem die kartographische Anordnung der Strassenzüge und der zentralen Transportmittelwege in der Stadt (Strassenbahn) untersucht. Um 13:oo begannen dann alle Mitglieder des Medien-Teams einen Erkundungsmarsch zum Gagarin-Ring und entlang des Rings, der die Innenstadt in einer fast kreisförmigen (eher elliptischen) Umlaufbahn umkreist.

Mit Hilfe einer Reihe von unterschiedlichen Aufzeichnungsapparaten (Digitale Bewegtbildkamera, Digitale Kameras, Digitale Taperecorder u. Mikrophone, Mobiltelephone mit Kamera, usw) entstand im Verlauf des Nachmittags eine Materialsammlung (data). Das Verfahren: eine spontane, unprogrammierte Archäologie des Gagarin-Rings und der urbanen Zufälligkeiten (Flanerie), der verschiedenen Blickwinkel, der Eindrücke, der unvorhergesehenen encounters, der Erfahrung dieser städtischen Plätze/Orte, Kreuzungen, Schienenstränge der Tram, der Bewegungen der Menschen und der Bewegungen der Tram, unserer eigenen Bewegung, entlang einer Kurve, die irgendwann den Schienen-achsen hin zur Mitte [ANGER] folgte, wo laut Aussage der einheimischen Mitarbeiter die Trams ihre Ausgangsposition und ihren Rückkehrpunkt haben.

Eine solche Erkundungswanderung lässt in einer Gruppe eine bestimmte Dynamik wachsen, es entstehen kleine Geschichten, und man beginnt, sich die "Stadt" (und sich selbst) zu erzählen und durch die Bewegung in gewisser Hinsicht in den Körper einzuschreiben, soweit dies an einem einzigen Tag der erhöhten Aufmerksamkeit und Offenheit (allen Stimuli gegenüber) möglich ist. Gesammelt wurde Bild- und Tonmaterial poetischer und dokumentarischer Natur (inclusive Interviews, die mit Bewohnern der Stadt gemacht wurden). In gewissem Sinn regierte hier anfangs der Zufall.

[Anmerkung zur Fotografie (vgl. Garry Winogrand, Joel Meyrowitz): Strassenfotografie erzählt erst in zweiter Linie von der Welt (so wie sie ist oder sein kann), in erster Linie ist sie der Versuch des Fotografen, sich mit der Welt zu identifizieren, und eine Standortbestimmung seiner selbst, geprägt vom eigenen Sinn für Humor, Ironie, wie auch für die Tragik des Lebens, wie auch von den eigenen Fantasien und Sehnsüchten.]

Bestimmte wiederkehrende Motive (die zu Leitfäden wurden) schrieben sich in Bewusstsein und Erinnerung ein, das Gagarin-Motiv wurde unbewusst dominant, denn es war vor allem für die nicht aus Erfurt stammenden Teilnehmer (aus dem Ausland) von Interesse, dass hier einem russischen Kosmonauten, dem ersten Menschen im Weltall, ein Denkmal gebaut wurde, d.h. in der vergangenen/abgewickelten DDR Zeit (der Name auf dem Denkmal ist dezimiert, von "Yuri" nur noch das "R" übriggeblieben). Ein gesamter Stadtring trägt den Namen dieses Kosmonauten, wobei sich in häufig wiederholenden Fällen während der Interviews herausstellte, dass die Bewohner nicht (mehr) wissen, wofür das Wort "Gagarin" eigentlich steht, wonach der Ring um die Innenstadt benannt ist. "Gagarin" ist ein Abstraktum geworden, referenzlos.

Die Zeitgenossen (Wiener, Hentschläger) und einige der Teilnehmer nahmen sich nach Einbruch der Dunkelheit vor, noch weitere Aufnahmen am Erfurter Dom und im Umfeld des Weihnachtsmarkts zu machen. Birringer unternahm eine spezifisch geplante Kamerafahrt mit Katrin Breitung im Inneren der Tram (entlang des Gagarin-Rings): Breitung als Protagonistin der Aufnahmen, in der Rolle einer jungen Frau, die am frühen Abend von der Arbeit nach Hause fährt und durch die Glasscheiben der Tram auf die Welt draussen blickt. Die Tram als Raum-Fahrt-Kapsel.

 


Data Review and Processual Stages

Um 19:oo traf sich das Medien-Team, um an diesem Abend die Sichtung und Auswertung des Materials zu beginnen, eine Skizze anzufertigen und den Anfang eines dramaturgischen Gerüsts zu legen, das mit dem Choreographie-Team in einem Interface besprochen werden konnte. Welche Bild und Ton-Data sind auffällig, anregend, und von Interesse, wie passen sie zusammen (oder nicht), wie sind sie kombinierbar, und entwickelbar? In welche Richtung zeigen sie? Welche Assoziationen entstehen, und welche Gedanken zur Weiterentwicklung treffen sich in der Zusammenarbeit der verschiedenen Künstler? Wie entsteht der collaborative working process? Und wann findet sich die Form des entstehenden Werkes bzw der Performance-Installation?

[Dies sind grundsätzliche Fragestellungen, die hier nur dahingehend von Interesse sein sollen, wie sie in dieser spezifischen Situation von den Teams beantwortet wurden. Allerdings möchte ich hier nicht für die anderen sprechen, derer einzelne Analysen den Erfurter Wissenschaftlern vorliegen, sondern nach einem kurzen Blick auf die Methodik im abschliessenden Teil auf meinen eigenen Produktionsprozess und die damit zusammenhängenden Reflektionen eingehen].

Die Sichtung und Auswertung des Datenmaterials nahm den gesamten Samstag Abend ein (etwa bis 1:oo Uhr nach Mitternacht). Gegen 2o:oo wurde ein gemeinschaftliches Treffen aller Mitarbeiter dazu genutzt, dem Choreographie-Team Ausschnitte des Bild- und Ton-Rohmaterials zu zeigen. Ein kontrovers geführter Dialog mit den anwesenden Wissenschaftlern drehte sich darum, den Vorwurf abzuweisen, dass die Material-sammlung bzw. das data processing die anderen Teilnehmer ausschliesse. Das Medien-Team insistierte, dass dieses Rohmaterial (data) ohne computergestütze Bearbeitung und künstlerische Gestaltung lediglich einer Schrittfolge, losen Wörtern, einem Ton gleicht, ohne Zusammenhang oder Halt gleichsam unförmig im Raum schwebend, also belanglos für eine kritische Beobachtung. Sich mit der gesamten Gruppe das gesamte Rohmaterial anzuschauen, auf das die Teams (Video, Digitalbild, Sound) im Medien-Ensemble noch keinen Einfluss (cleaning up, selecting, editing and processing) der Bearbeitung ausgeübt hatten, erschien uns als unnütze Zeitverschwendung. Ausserdem spielen, an solch einem frühen Zeitpunkt der Auswertung, die durch Erfahrung gewonnenen Schaffensweisen und ästhetischen Positionen/Sensibilitäten der verschiedenen Künstler eine Rolle, sie "behaupten " sich erst einmal, denn jeder Künstler muss sich auch durch bestimmte Phasen der kreativen Bewusstwerdung jeweils mit dem "Stoff" erst einmal gewissenhaft und intensiv auseinandersetzen. Ideen der Barbeitung müssen erst entstehen im Kontakt mit dem Material.

Der zweite Schritt, für Samstag vorgesehen (im Zeitablauf zwangsläufig und logisch, der Prozess lenkt sich praktisch selbst an diesem Punkt und wird 'organisch', und die Gruppe verlor wenige Worte darüber bzw. fand es nicht also sonderlich notwendig, einen genauen Plan aufzustellen), beinhaltet die Berarbeitung des Materials (Selektion, Editing, Processing, Rekombination, usw), d.h. die eigentlichen künstlerischen Entscheidungen einer Bearbeitung und Gestaltung des digitalen Rohmaterials müssen nun fallen im Hinblick auf kompositorische Erwägungen und Vorstellungen des zu choreographierenden Environments bzw. der interaktiven Architektur des entstehenden "Stücks."

Der dritte Schritt, für Samstag Abend vorgesehen, ist der Aufbau der gesamten Versuchsanordnung und die Abstimmung der konzeptionellen und inhaltlichen Teile, die dann in meheren Proben zusammen mit dem Choreographie-Team entwickelt und konstruiert werden müssen. Erst in der Proben werden sich dann die digitalen (und analogen) Medien im theatralen Raum mit den Akteuren (Tänzer, Schauspieler, Musiker, usw) zum ersten Mal treffen. Hier würde im Normalfall ein langer und stetiger gemeinschaftlicher Proben-Prozess der Bild-, Ton-, Projektions-, Licht-, Sprach- und Bewegungsdramaturgie und der Programmierung der interaktiven Schnittstellen und Interaktionsrhythmen und -Inhalte stattfinden müssen, der Wochen bzw. Monate dauern kann, bis eine fertige Aufführung entstanden ist.

 

GO To PART II

 


Production Credits:

Robert Wechsler (choreography), Zelko Wiener (digital images; computer animation)
Ursula Hentschläger (digital sound), Johannes Birringer (video, sound, dramaturgy)
Michael Purg (technical director)
Video production and performance:
Gesine Kästner, Judith Leckebusch, Katrin Breitung, Maria Türke,
Tao Kugler, Nicole Loesaus, Stefan Heeg, Sarah Kugler,
Martha Steffen,Martin Eckhardt, Sandra Vater, Sarah Kugler,
Lelah Ferguson

Photo credits on these pages:

Zelko Wiener; Ursula Hentschläger; Martha Steffen; Gesine K ästner; Johannes Birringer

 

Workshop organizers: Michael Giesecke, Christiane Heibach

3/4/2005

3/4/2005